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 Zeitungsartikel

Artikel in der Rheinpfalz vom August 2010

In der Couchecke von Verena Gerspach stapeln sich die Stofftiere. "Hundert Prozent der Spenden sollen bei den Menschen ankommen", lässt die in Maximiliansau aufgewachsene und am Städtischen Klinikum in Karlsruhe als Krankenschwester arbeitende junge Frau keine Zweifel am Selbstverständnis ihrer Aktivitäten aufkommen. Profitieren soll hiervon Salinas de Guaranda, ein kleines Andendörfchen im südamerikanischen Ecuador. Von dort kommt ihr Ehemann, der Musiker John Salazar, den sie einst beim Salsa-Tanzen kennen gelernt hatte. Vor 8 Jahren reiste sie mit ihm erstmals in seine Heimat. Und hieraus entwickelte sich ab 2006 eine bemerkenswerte Aktion für Hilfe zur Selbsthilfe, die vor allem von ihrer Unmittelbarkeit lebt.

 

Vor Ort sind die Schwägerin und eine Freundin die Ansprechpartner, und in Deutschland sind es die beiden Eheleute. Begonnen hatte es mit Hilfestellungen für eine örtliche Textilgenossenschaft, die in nahezu allen Bereichen von Büro und Marketing schlicht überfordert war. Gerspach packte entschlossen mit an, räumte auf, gab Verkaufstipps sowie Anregungen zur Buchhaltung und wurde allmählich auf weitere Probleme in dem kleinen Nest aufmerksam.

 

Direkthilfe und Patenschaften

 

Heute setzt ihre Hilfe an mehreren Stellen an. Das kann praktische Lebenshilfe im Umgang mit Behörden oder Hilfestellen sein, aber auch Spielsachen, Betreuung, Bekleidung und Medikamente für Kinder von in Not geratenen Familien. "Andenkinder e.V." leistet nicht nur schnelle Finanzhilfe, sondern verfolgt über Patenschaften auch ein langfristiges Konzept. Momentan bestehen 13 Patenschaften, wobei drei weitere kurz vor dem Abschluss stehen. Der Pate gibt monatlich 20 Euro, und in Ecuador kommen garantierte 25 Dollar an. Zum Beispiel dort, wo der Vater tödlich verunglückt ist und die Mutter plötzlich mit den 7 Kindern alleine ist.

 

Konsequenzen müssen sein

 

In Ecuador folge das Leben einem anderen Rhythmus als in Mitteleuropa, erzählt Gerspach. Langsamer, in sich gekehrter, und vielleicht auch ein wenig ehrlicher als in Mitteleuropa. Entwicklungen und Neuerungen benötigen dort ihre Zeit. Aber das alles heißt nicht, dass die Verantwortlichen nicht ganz genau hinschauen müssten. Denn auch in Salinas gäbe es natürlich Leute, die für ihren Vorteil auch eine unerwünschte Raffinesse an den Tag legten und zum Beispiel für ein und dasselbe Anliegen gleich bei mehreren Hilfsstellen vorstellig würden. Das hat dann natürlich Folgen. Die betreffende Person wird von uns für ein Jahr gesperrt und zudem machen wir die Gründe hierfür öffentlich. Denn es muss klar sein, dass wir uns nicht hochnehmen lassen - "wir schreiten auch ein", verweist Gerspach auf die Notwendigkeit, vor Ort den Mut zur Konsequenz zeigen zu müssen. Dies gelte auch in Fällen, in denen das Geld nicht bei den Kindern ankomme, sondern vom Familienoberhaupt, so für Alkohol, zweckentfremdet werde. Salinas ist klein, die Sozialkontrolle aber umso größer. Nichts bleibt verborgen.

 

Schritt für Schritt entwickeln

 

Die Frage, wie sich der Verein weiterentwickeln soll, steht für Gerspach noch nicht im Vordergrund. Bislang ging alles Stück für Stück, und so soll es auch künftig sein. Sicher, vielleicht ist es eines Tages möglich, in Deutschland Freiwillige für ein zeitlich begrenztes Engagement zu gewinnen. Allerdings bedeutete dies bereits wieder einen gewaltigen Organisationsschritt, der das bisherige Hilfsformat stark verändern könnte. Denn schließlich steht noch immer im Vordergrund, dass nicht nur hundert Prozent der Hilfsgelder, sondern auch des Engagements direkt bei den Bedürftigen ankommen soll. "Wer mich kennt, der weiß, dass ich die Dinge, die ich anpacke, richtig mache und auch durchziehe", sagt Verena Gerspach, die dieser Selbstcharakterisierung alleine schon durch ihre Persönlichkeit eigentlich nicht bedarf. Man glaubt ihr auch so. Und das zu hundert Prozent.

 

 Artikel von: Matthias Dreisigacker

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